Mittwoch, 25. November 2009

You just make it round

Wenn man mit jemandem zusammen wohnt, so erfährt man zwangsläufig einiges über sein Leben und seine Vergangenheit. Benja zum Beispiel, so hat er mir erzählt, hat schon allerhand verschiedene Arbeiten gehabt: Nachtwächter bei einer (Vazaha-) Familie, Elektriker, Mechaniker-Assistent bei Helimission, Lastwagenfahrer und jetzt ist er Automechaniker. Angefangen hat er aber als Edelsteinschleifer. Wer hätte das gedacht! Neulich hat er mir ein paar seiner alten Werke gezeigt. Darunter war ein ganz runder Stein. Ich hab ihn erstaunt gefragt, wie er es geschafft hat, den Stein so schön hinzukriegen. Darauf hat er mir ganz trocken und mit einer Selbstverständlichkeit geantwortet: "Yeah you just make it round" ("Ja man macht den Stein ganz einfach rund"). Und er hat nicht mal gemerkt, dass er mich zum Lachen gebracht hat :-) (scheint vielleicht nicht so witzig, wenn es geschrieben wird, aber ich muss noch heute darüber schmunzeln).

Gestern hatten wir eine Abschiedsparty für Sascha, welcher nach zwei Monaten Ferien wieder in die Schweiz zurückgekehrt ist. Wie schnell die Zeit vergeht! Die unten stehenden Bilder vermitteln ein paar Eindrücke dieser Feier:

Jeder hat ein bisschen etwas mitgeholfen - ich zum Beispiel war für das Lagerfeuer zuständig.

Das untere Fenster ist jenes von meinem Zimmer. Das obere von Papas. Da die Decke aus Holz ist und Papa immer Radio hört, komme ich fast jeden Abend vor dem Einschlafen in den Genuss der Hitparade.

Es gab reichlich Fleischspiesse, Salate, Bier und Rum. Ich musste mich mit letzteren allerdings zurückhalten, da ich Sascha nach dem Fest noch an den Flughafen fuhr. Wie schon beim Toms Party Ende März gab es auch gestern wieder eine kulinarische Köstlichkeit. Was von weitem wie gefüllte Teigtaschen ausgesehen hat, waren in Wirklichkeit frittierte Hühnerköpfe. Ich war zwar nicht unbedingt scharf drauf, doch so etwas will probiert sein.

Diesen Freitag findet bei uns im Hangar eine wichtige Zeremonie statt. Jakob kriegt nämlich für seine langjährige Arbeit hier in Madagaskar den "chevalier de l'ordre national" überreicht. Das ist ein Ritterorden für seine Verdienste hier in Madagaskar. Dass der Orden aber ausgerechnet von einem Diktator, der noch dazu illegal an die Macht gekommen ist, unterzeichnet wurde, mutet doch ein bisschen komisch an.
Item, auf jeden Fall ist der organisatorische Aufwand für diese Übergabe recht gross. Deshalb war ich letzte und diese Woche ziemlich oft der Chauffeur für einen Arbeitskollegen, welcher von Ministerium zu Ministerium rennen musste. Mir soll es recht sein - so komme ich aus dem Büro raus und lerne erst recht noch die Stadt besser kennen.

Machts gut.

Matthias

Freitag, 13. November 2009

Ich habe geheiratet

Wusstet Ihr das nicht? Tja, ich auch nicht. Aber anscheinend waren sich einige Leute darüber ziemlich sicher. Diese Woche war ich nämlich mit Lolona beim Zahnarzt. Sie hatte eine Entzündung wegen zwei kaputten Zähnen, welche sie ziehen lassen musste. Da sie nicht wusste, wo die Praxis ist und auch, weil sie Anjarasoa mitnehmen musste, habe ich sie begleitet. Ich habe im Büro ja sonst nicht viel zu tun *Hust*.

Auf jeden Fall haben einige Leute ziemlich komisch geguckt und sich wahrscheinlich ihre Geschichte zusammengereimt. Was ich ihnen nicht unbedingt verüble. Denn wenn ein Weisser mit einer Madagassin und einem fast weissen Baby unterwegs ist, kommen wohl die meisten schnell zu ihren Schlussfolgerungen. Den Vogel hat aber dann der Zahnarzt abgeschossen. Beim Zähne ziehen sagte er so zu Lolona: "Ihr Mann spricht aber gut Madagassisch". Die gute Frau konnte sich nicht mal wehren, weil ihr Mund voll von Werkzeug war. Das setzt dem ganzen noch die Kirsche obenauf.

Verständlich, dass ich mir seit diesem Tag von allen Leuten blöde Sprüche anhören muss. Zum Glück bin ich von Natur aus dem Scherzen nicht abgeneigt...

Das wäre dann also meine Ehefrau, welche auf dem Foto in meinem Alter aussieht. In Wirklichkeit ist sie aber über 30.

Ein paar weitere Bilder von zu Hause:

Hier ein Bild in meinem Zimmer. Links ist mein Bett.

Links im Bild Sascha, mein Vorgänger bei der MAF, welcher jetzt hier in den Ferien ist. Dann die drei Schwestern Lydie, Lily und Vero. Lily heiratet im Dezember. Gestern hatten wir schon mal eine Feier, wo die zwei Familien sich zum ersten mal offiziell getroffen haben.



Auf der Strasse von uns in die Stadt. Hier ein typisches Taxi von Tana.

Und noch ein paar Bilder von Ambositra:


In dem Feld, in welchem die Frauen auf dem Bild arbeiten, haben sie den Reis gesät. Der Reis wird auf so engem Raum gesät, damit man ihn besser überwachen kann (z. B. wegen den Vögeln). Sobald er dann mal eine gewisse Länge hat, wird er in andere Felder umgepflanzt (wie im Vordergrund), wo er mehr Platz zum Wachsen hat.

Der kleine und der grosse Ingenieur bei der Arbeit.


Die ganz kleinen Kinder werden wie auf den drei folgenden Bildern in ein Tuch eingehüllt auf dem Rücken getragen. Manchmal sind die Kinder, welche die Kleinen tragen, selber nicht viel grösser...






Diesen Sonntag hat Luc Geburtstag und startet heute oder morgen eine Fete bei sich zu Hause. Darauf freue ich mich schon. Sonst habe ich ausser Wäsche waschen und Haare schneiden nicht viel auf dem Programm.

Bis dann

Matthias

Mittwoch, 4. November 2009

Gruten Tag und wie heisse ich?

Benjas Vater "Papa" hat von Pascal - welcher vor mir dort gewohnt hat - ein bisschen Deutsch gelernt. Jeden Tag, wenn er mich sieht, begrüsst er mich mit einem freundlichen "Gruten Tag Matthias". Immer wieder aufs Neue eine Freude :-)

Jeden Tag, wenn ich zur Arbeit gehe oder nach Hause komme, begrüsst mich ein Nachbarskind mit den Worten "Manahoana vazaha? Omeo vola aho" ("Wie gehts Weisser? Gib mir Geld", Anm. d. Red.). Diese Woche habe ich sie gefragt, wie sie heisst. "Jenny" hat sie geantwortet. Dann habe ich sie gefragt, ob sie wisse, wie ich heisse. Die logische Antwort war natürlich "vazaha". Fand ich auch ganz lustig.

Letzten Samstag war ich 70 kg Reis kaufen - 20 kg für Lolona und Mamiratra, 50 kg für uns. Einer meiner Arbeitskollegen meinte, wenn dieser Sack 2 Monate hält, kann ich mich glücklich schätzen. Wir werden sehen. Ich habe dann einen Mann "engagiert", der den Reis mit seinem Karren bis zu unserem Haus gefahren hat. Das letzte Stück mussten wir allerdings zu Fuss gehen, da die schmale Holzbrücke nicht für den Karren geeignet war. Erstaunlich, dieser kleine magere Typ hat die 50 kg wie nichts gepackt. Ich kam dann schön auf die Welt, als ich den Sack ins obere Stockwerk bugsiert habe - wobei, da bin ich vielleicht auch nicht wirklich ein Gradmesser...

Meinen schwarzweiss Film von den Ferien kann ich hier in Madagaskar definitiv nicht entwickeln lassen. Zum Glück hat Mänu mir ein paar seiner Bilder geschickt. Diese und ältere von mir könnt ihr unten stehend betrachten (einige davon sind beim Scannen ein bisschen hell geraten, liegt also nicht an meiner eigenen Unfähigkeit):

Dies wären also die Tsingy, so weit das Auge reicht. Diese Felsformationen wurden durch den Regen ausgewaschen und sind wirklich eindrücklich anzuschauen.

Am ersten Tag bei einer Stadtbesichtigung.

Die folgenden Fotos sind von Tamatave (madagassisch Toamasina), als wir dort waren, um Auto und Gepäck vom neuen MAF Boss abzuholen:



Im Hintergrund der Hafen, wo die Fracht eingetroffen ist. Von diesen Pousse-Pousse, welche mit einem Fahrrad statt von Hand gezogen werden, gibt es in Toamasina viele.

Und wieder ein paar Bilder von Ambositra, wo ich ja jetzt zweimal war, um an der Landebahn zu arbeiten:

Ich finde die 20 km Fahrt von Ambositra zur Landepiste landschaftlich sehr ansprechend - viele Hügel und Kurven und dazwischen jede Menge Reisfelder mit arbeitenden Leuten.

Manchmal kommt man hier in Madagaskar in ein Dorf, wo man haufenweise wunderschöne Kinder sieht. Ich weiss auch nicht wieso...



Als die Arbeit getan war, haben wir die Pappschachteln den Kindern überlassen, worüber sie offensichtlich sehr glücklich waren. Auch leere Pet-Flaschen sind immer ein willkommenes Geschenk.

Mein Arbeitskollege Michel beim Mittagsschläfchen. Man beachte den Schriftzug auf dem Reifen... Er ist übrigens der Bruder von Benja.

Und zum Schluss wieder mal ein paar Bilder von zu Hause:

Lydie mit ihrer Mutter.

Das ist David, der Vater von Lydie und Play. Er ist ein sehr aufgestellter Mann, obwohl er arm ist. Er arbeitet hart sechs Tage die Woche und hat trotzdem nichts. Er hat keine feste Arbeit - ausser die Schweine und Felder zu Hause (aber die bringen nicht jeden Tag Geld ein) - und macht, was sich grad so ergibt. Er hat auch schon für die MAF in Ampasinambo gearbeitet. Zu allem Überfluss ist vor ein paar Wochen auch noch seine Kuh gestorben - durch sie konnte er wenigstens jeden Tag Milch verkaufen.
Arbeitslos in Madagaskar ist übrigens nicht zu vergleichen mit der Schweiz. Hier gibt es viele, die arbeiten möchten, aber es hat einfach zu wenig Arbeit. Und die, welche keine Arbeit haben, die bekommen vom Staat nichts.
Play macht eine Ausbildung zum Automechaniker bei einer Organisation, welche eigentlich nur Waisen und Halbweisen ausbildet. Er hat dort einen Ausbildungsplatz gefunden, weil der Bürgermeister ein Dokument ausgestellt hat, welches offiziell bestätigt, dass seine Eltern arm sind.


Sieht so aus, als hätte ich grossartig mitgeholfen, das Feld umzustechen. Die Hilfe war aber nur von kurzer Dauer. Aber besser als nichts, für eine Blase an der Hand hats auf jeden Fall gereicht.

Das ist auf dem Dach des Hauses, von wo aus man eine schöne Aussicht über die Reisfelder hat. Ausserdem trocknen die Kleider nach dem Waschen recht schnell.

So, die erste Nahaufnahme von Anjarasoa. Das Bild ist leider ein wenig verschwommen, da ich bei meiner Kamera keinen Blitz habe.

Diesen Sonntag fahre ich mit Jakob und seiner Familie, den drei neuen deutschen Freiwilligen und der Familie von Adam - unser Flugzeugmechaniker - nach Lac Mantasoa, um Wasserski und Wakeboard zu fahren. Für Jakob wird es das letzte mal sein, dort hin zu gehen. Für mich übrigens auch. Wie ihr vielleicht gemerkt habt, rückt die Stunde meiner Rückkehr unerbittlich und mit einer beängstigenden Geschwindigkeit näher.

Bis bald

Matthias